Alle Sprachen dieser WM – Teil II
In welche Sprachen die WM übertragen wird – und in welche nicht
Beim letzten Mal erzählten wir, wie in Malta, Lateinamerika, Indonesien und Kirgisistan mit dem Problem der vielen verschiedenen indigenen Sprachen und der ausschließlich in Weltsprachen übertragenen WM umgegangen wird. Heute geht es um Indien, Nigeria und Kenia.
In Indien wird die Umstellung auf Kommentare in Hindi mitunter sogar mit Unmut aufgenommen. Hier ist man an die Übertragung auf Englisch gewöhnt, immerhin wurde Fußball von der Insel hierher importiert. Die seltsamen Neologismen und verpatzte Übersetzungen, so meinen die Zuschauer, lenken bestenfalls nur ab. Allerdings spricht weniger als zehn Prozent der Bevölkerung in Indien Englisch. Das Fußball-Erlebnis war also bisher nur einer kleinen, sozial wie wirtschaftlich besser gestellten Schicht vorbehalten. Seit 2012 versuchen die lokalen und regionalen Sender deswegen, Sportereignisse auch in anderen regionalen Sprachen zugänglich zu machen. Bei der diesjährigen WM können zum Beispiel die Bewohner des Bundesstaates Westbengalen 56 Spiele auf Bengalisch schauen.
In einem anderen, ebenfalls wirtschaftlich schnell wachsenden Land ist ein ähnlicher Trend zu mehr regionalen Sprachen zu beobachten: in Nigeria. Der Sender OSMI, der die Übertragungsrechte für diese WM besitzt, zeigt die Spiele erstmals in Pidginenglisch, obwohl dies noch nicht einmal eine offizielle Sprache ist, sondern eine Mischsprache aus einem graamatikalisch stark vereinfachten Englisch mit Elementen ostafrikanischer Sprachen.
In Kenia ergänzen Radiokommentare in regionalen Sprachen die Fernsehübertragung. Viele Zuschauer drehen den Fernseher leiser und das Radio auf, denn die meisten Kenianer sprechen besser Kiswahili als Englisch, erzählt Carol Radull, eine Sportjournalistin aus Nairobi. „Kenia hat einige sehr talentierte Fußballkommentatoren. Und Kiswahili ist eine sehr animierte Sprache.“ Sie ist sich sicher, dass wenn die Radiosender auch andere regionale Sprachen wie Dholou, Luhya und Kisii anbieten würden, auch das viele Zuhörer finden würde.
Ana Williams, eine Linguistin der Northwestern University in Chicago und Autorin des Buches „O Jogo Narrado“ („Das erzählte Spiel“) meint, dass jede Kultur ihre Zeit brauche, um ihre eigene flüssige Kommentiersprache zu entwickeln. Der Fußball in Brasilien kam über die Briten hierher, deswegen waren brasilianische Kommentare früher mit englischen Wörtern gespickt: „corner“, „referee“, „goalkeeper“,… „Als der Fußball die brasilianische Kultur völlig durchdrungen hatte, wurden diese Wörter durch portugiesische Ausdrücke ersetzt“, sagt Williams. So wird es auch mit anderen Sprachen sein, ist sie überzeugt. „Je beliebter Fußball wird, desto mehr wird bei den Kommentaren die jeweilige Landessprache dominieren.“
Noch nie war Fußball weltweit so beliebt wie heute. Wenn der Trend anhält, wer weiß, vielleicht können die Kurden und die Malteser bald doch die Spiele in ihren eigenen Sprachen sehen.