Deutschland: Eine Liebesgeschichte
Eine abenteuerliche Nacht und eine wiederentdeckte Liebe – erzählt mit 91 skurrilen deutschen Ortsnamen.
Eigentlich hatte Achim nach Feierabend nur noch ein Gläschen trinken wollen. Sein Zuhause war schon lange keine Zuflucht mehr für ihn – Dort wartete Irmtraut, und mit der gab es nichts als Zank. Ihre Stimme, einst so lieblich wie eine Harfe, klang nun wie ein Reibeisen. Nicht nur ihre Ehe, auch Irmtrauts Kochversuche waren Lieblos geworden: Ihr Linsengericht mit Grünkraut, das er immer so gern gegessen hatte, schmeckte heute nur noch wie Kuhfraß. Immer gab sie zu viel Knoblauch und Dill hinein, manchmal fragte Achim sich schon, ob das Absicht war. Es war einfach alles so Öd geworden zwischen den Beiden, und noch dazu musste sie ihn auf Biegen und Brechen kritisieren.
Da er aber weder besonders viel, noch besonders gern redete, blieb ihm nur das Heimlichleiden. Manchmal half gegen den Frust nur noch der Gang in die Bierhütte. Also nahm er den Umweg über die Kneipe. Nach nur einem Glas Kuhbier verspürte er schon das Bedürfnis aufs Kloo zu gehen, das wie immer besetzt war. Das Warten dauerte eine halbe Ewigkeit, dabei musste er doch so dringend Pissen! Also stürzte er nach draußen, um sich in den Busch zu erleichtern. Er war noch nie ein besonders begabter Pinkler gewesen; alsbald bildete sich eine Pfütze Gelbes Wasser um seine Schuhe herum. Und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, klemmte er sich auch noch seinen Ehrenzipfel in der Lederhose ein. Aua!
Betrübt machte sich Achim auf den Heimweg. Er war nur wenige Meter weit gekommen, da begann es wie aus einem Kübel zu schütten. Natürlich hatte er seinen Regenmantel nicht dabei – Wie konnte ein einziger Mann bloß so viel Pech haben? Er erblickte einen Hauseingang, aus dem Rosa Licht und lautes Lachen drang. Er schlüpfte schnell durch die Tür und wurde von einer Dame begrüßt, die ihm sachte ins Ohr flüsterte: “Du Wilder Mann! Möchtest du meinen Venusberg erklimmen?” Gelähmt vor Schreck starrte er auf ihren Hosenstrumpf.
Sicher, er hätte mal wieder Lust auf ein bisschen Kissing und Petting. Doch dass diese schöne Frau – die so frisch und duftig wie ein Kuchen war – etwas wollte von ihm, konnte er einfach nicht glauben. Machte sie sich einen Jux aus ihm? Schon als Kind musste er sich von seinen Klassenkameraden anhören, er sei Häslich. Sie hatten ihn verspottet als Frankenstein, oder als Troll. Nur ein dünner Barth säumte seine schiefe Oberlippe und mit seinen dünnen Haaren war er in der Tat kein schöner Anblick. Noch dazu war er ein Habenichts, der von der Wohlfarth lebte. Dann dämmerte es ihm – wie Kindisch von ihm zu glauben, dass diese Frau ihn wirklich begehrte. Nein, dies hier war der Ort wo die Busenhausen; der Ort an dem die Männer Tittenkofen. Die reinste Rammelburg, wo man sich Warzen holte oder die Krätze! Atemlos flüchtete er aus diesem Tollhaus in die Nacht voller Nebel. Ein unerwarteter Sturz und sein Kopf landete auf dem Boden. Er konnte sich kaum bei Bewusstsein halten. Wie auf Drogen, driftete er langsam Richtung Schimmerwald.
Er erwachte vom Vogelsang – das Gras der Parkwiese Feucht, sein Mund eine Wüste, sein Körper ein einziger Eisberg. So ein Dreckmorgen! An seinem Kopf befand sich nun eine riesige Beule; er sah aus wie ein Penna. Es war ihm, als müsse er gleich Kotzen. Und dann noch diese unkoscheren Gedanken der vergangenen Nacht – um ein Haar hätte er Ehbruch begangen. Würde er nun im Fegefeuer landen? Oder gar in der Hölle? Amen! Mariahilf! Er konnte nur hoffen, dass er bei Gott nicht in Ungnade gefallen war und die Himmelsthür sich auf ewig für ihn geschlossen hatte.
Zumindest seine Haustüre ließ sich problemlos öffnen. Drinnen wartete eine grimmig dreinblickende Irmtraut. “Du Katzenhirn!”, schrie sie. “ Nur Schabernack hast du im Kopf! Die ganze Nacht verschwunden!” Er sah die Sorge in ihrem Gesicht und mit einem mal wurde er sich wieder bewusst, was er an ihr hatte. Er hatte doch gar nicht Reißaus nehmen wollen… Doch das nächtliche Abentheuer hatte ihn etwas gelehrt. “Mein Engel, niemand ist schöna als du.”, sagte er. “Siehdichum, ich kann mich glücklich schätzen. Hier bei dir ist mein Paradies.” Sie konnte ihm Ochsenschenkel und Faulebutter servieren, sie konnte Quasseln und Motzen: Mit ihr war er Seelig, bei ihr war er Zuhaus.