Die Geheimnisse des schlimmen Fingers
Seit Peer Steinbrücks legendärem Foto im SZ Magazin sorgt er wieder für Aufsehen: Der “Stinkefinger”. Wir verraten 6 Fakten über eine berüchtigte Geste.
1 – Bereits in der Antike bekannt
Bereits im antiken Griechenland war die Geste bekannt: Die erste schriftliche Aufzeichnung dazu findet sich in Aristophanes‘ “Die Wolken” (423 vor Christus). Auch in zahlreichen weiteren antiken Komödien lassen sich Belege finden. Katapugon genannt, bedeutet der ausgestreckte Mittelfinger eine Verhöhnung, Drohung oder Beleidigung. Die Römer kennen ihn als digitus impudicus (Unverschämter Finger). So beschwert sich schon der Geschichtsschreiber Tacitus über schamlose germanische Stammesanhörige, die den römischen Soldaten zum Gruß den Mittelfinger ausstreckten.
2 – Der Ursprung
Wissenschaftler vermuten die Ursprünge der Mittelfinger-Geste im Verhalten von Primaten. Südamerikanische Totenkopfäffchen sehen zwar süß und unschuldig aus, verscheuchen ihre Konkurrenten aber gerne mal indem sie ihnen ihr bestes Stück vor die Nase halten. Auch bei anderen Primaten beobachteten Verhaltensbiologen diese Drohgebärde. Die Menschen hätten diese Geste adaptiert, so die Vermutung – schließlich gilt der Mittelfinger seit jeher als phallisches Symbol.
3 – Der Stinkefinger in der Kunst
In Italien wurde der berüchtigten Geste gar eine Skulptur gewidmet: Vor der Mailänder Börse installierte der Künstler Maurizio Cattellan ein 11 Meter große Hand mit ausgestrecktem Mittelfinger – Der Name: L. O. V. E. Zunächst sollte die Skulptur nur vorübergehend die Piazza Affari schmücken. Trotz hitziger Debatten beließ man das Kunstwerk jedoch schlussendlich auf dem Platz vor der Börse. Auch in den Schweizer Bergen findet sich eine Hommage an den Mittelfinger: Der “Doigt d’honneur” von Nikolai Winter ist eine anthrazitfarbener, zwei Tonnen schwere Aluminiumguss. Die Skulptur einer Frauenhand reckt ihren Mittelfinger Richtung St. Moritz.
4 – Varianten in verschiedenen Ländern
In den westlichen Kulturen existieren verschiedene Varianten des Stinkefingers: Beim französischen Bras d’Honour (Arm der Ehre) wird ein Arm mit geballter Faust in die Höhe gereckt, während die andere Hand in den Ellbogen fasst. Auch in zahlreichen südeuropäischen und lateinamerikanischen Ländern ist diese Geste populär. In Großbritannien ist es ein V-Zeichen, bei dem die Handinnenfläche zum Gesicht zeigt, welches eine ähnliche Botschaft verkündet. Die Ähnlichkeit mit dem Victory-Zeichen (hier zeigt die Handfläche nach außen) sorgt gelegentlich für Missverständnisse.
5 – Der Finger in Deutschland
Das Wort Stinkefinger wird 1995 in den Duden aufgenommen. Ein Jahr zuvor macht Stefan Effenberg die Geste in Deutschland erst richtig bekannt: Nachdem er nach einem Spiel der Fußball-WM 1994 in Amerika von den Fans provoziert wird, streckt er dem Publikum den Mittelfinger entgegen und sorgt für einen handfesten Skandal. Effenberg wird aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen – und prägt den Begriff Effenbergfinger der noch Jahre danach von der Presse aufgegriffen wird. Wer nicht gerade Kanzlerkandidat oder Nationalspieler ist, sollte sich übrigens davor hüten, den schlimmen Finger zu zeigen: Juristisch gilt dies als Beleidigung, die mit einer Geldbuße zwischen 600 und 4.000 € bestraft werden kann.
Galileo Galilei war seiner Zeit weit voraus und trat für seine Überzeugungen auch gegen den Widerstand der Kirche ein. Diese verhinderte schließlich sogar, dass für den Sohn einer verarmten Patrizierfamilie ein feierliches Begräbnis ausgerichtet wurde. Knapp 370 Jahre später stellt das nach ihm benannte Museum in Florenz Teile von Galileos erhaltenen Überresten aus – Darunter seinen Mittelfinger. Und so kann der revolutionäre Denker seinen Kritikern auf ewig den Stinkefinger zeigen – Denn sie bewegt sich doch!