Die Kunstsprache Esperanto sollte eine allgemein akzeptierbare Zweitsprache für die gesamte Welt werden – heute ist sie bestenfalls eine Kuriosität

Eine Sprache, die von allen Völkern dieser Welt gesprochen wird, und mehr: die für alle gleich leicht zu erlernen ist; eine Weltsprache, dank der sich selbst Indochinesen und Saarländer kinderleicht verständigen könnten, und zwar ohne dass eine schon existierende Sprache privilegiert würde – was für eine schöne, friedensfördernde Vorstellung!

zamenhof

Das dachte sich Ludwig Zamenhof, der im damals zum Russischen Zarenreich und später zu Polen gehörenden Bialystok geboren wurde, wo viele verschiedene Sprachen gesprochen und viele heftige Konflikte zwischen den (Sprach-)Gemeinschaften ausgetragen wurden. Und so erfand Zamenhof seine Lingvo internacia, die er 1887 unter dem Pseudonym „Doktoro Esperanto“ der Öffentlichkeit vorstellte. Weswegen die Sprache heute besser bekannt ist als Esperanto, was sinnigerweise „ein Hoffender“ bedeutet.

Die Lingvo internacia sollte leicht zu erlernen und für alle Sprachgemeinschaften als Zweitsprache annehmbar sein. Sie entleht Elemente aus dem Romanischen, Slawischen und Germanischen und hat eine recht einfache, durch und durch logische Grammatik.

„Kein Sprachimperialismus oder Privileg des Bildungsadels“ also, „la langue de l’amour“, so singen Freundeskreis. Die Sprache, auf der die Geister miteinander kommunizieren, so ist die Heldin aus Isabel Allendes „Geisterhaus“ Clara überzeugt.

Warum hat sie sich nicht durchgesetzt? Weltweit gibt es heute bloß zwischen einer halben und zwei Millionen Sprecher, die Jahrestreffen haben nur knapp ein paar tausend Teilnehmer. Schade ist das, und auch ein bisschen verwunderlich, gibt es doch mehr als genug Kritiker an der englischen Sprachvormacht. Gerade die Franzosen, sollte man meinen, müssten eifrige Sprecher sein, beschweren die sich doch darüber, dass heutzutage mehr englisch gesprochen wird als während der Nazi-Besetzung deutsch. Es ist allerdings nicht bekannt, dass es besonders viele französische Sprecher gäbe. In Ungarn dagegen ist Esperanto sogar Pflichtfach an den Unis. Doch auch das hilft insgesamt herzlich wenig; in seinem mehr als hundertjährigem Bestehen hat es Esperanto nicht geschafft, über den gut gemeinten Versuch hinaus zu kommen, vom Status einer internationalen Zweitsprache ist es Lichtjahre entfernt.

esperanto

Das größte Manko des Esperanto ist wie bei allen Kunstsprachen, dass sie – wie der Name erahnen lässt – künstlich, also erfunden sind. Sie sind nicht organisch gewachsen, es gibt keine natürliche Muttersprachgemeinschaft – englisch ist auch deswegen so einflussreich, weil es allein 330 Millionen Muttersprachler gibt. Der Sprachkritiker Wolf Schneider schreibt, Kunstsprachen fehle die Wärme, die Aura und Tiefe, deswegen dürfe man sie heute allesamt für tot erklären.  Rein praktisch gesehen denkt sich das die Mehrheit wohl so: Warum brauchen wir eine künstliche Weltsprache, die für alle einfach zu erlernen ist, wenn wir faktisch eine solche schon haben? (Denn der andere Grund, warum englisch die meistverbreitete Weltsprache ist, liegt darin, dass Mandarin mit seinen 845 Millionen Muttersprachlern einfach zu kompliziert ist.)

Ganz einfach: Weil es 6,1 Milliarden Menschen auf der Erde gibt, die nicht englisch sprechen. Für Esperanto bedeutet das:

La espero mortas laste.
(Die Hoffnung stirbt zuletzt.)

 

Kommentare zu Die Sprache der Hoffnung