Eine Beerdigung in Afrika – Karneval, Flash Mob oder Flat Rat Party?
Wenn wir einen Einblick in eine andere Kultur möchten, dann gelingt uns das auf die Schnelle leicht über die Sprache und traditionelle Gerichte. Wenn wir Glück haben, dann dürfen wir auch noch an den großen und wichtigen Ereignissen des Lebens teilhaben. Diese sind in fast jeder Kultur gleich. Die Geburt, Hochzeit und Beerdigung gelten weltweit als einschneidende Erlebnisse.
Ich hatte das Glück – das klingt irgendwie nach schwarzem Humor – bei einer traditionellen Beerdigungsfeier in Ghana dabei zu sein. Von außen betrachtet war das auf den ersten Blick eine Mischung aus Karneval, Flash Mob und Flat Rate Party. Und das meine ich keineswegs abwertend, sondern positiv. Da können wir uns schon mal die erste Scheibe von abschneiden.
Aber nun erstmal zu den Vorbereitungen. Was manch einer in Deutschland nicht wagt für eine Hochzeit auszugeben wird bei ghanaischen Beerdigungen als Mindestmaß vorausgesetzt. Da kann eine gute Beerdigung schon einmal um die 10.000 USD kosten. Man gönnt sich ja sonst nichts – mehr. Zur Not wird noch ein Kredit aufgenommen, den der letzte Eindruck – der bleibt.
Für meinen ersten guten Einduck auf der Beerdigung sorgte die traditionelle Kleidung. Ein schwarz rotes bodenlanges kleid – die Farben der Ashanti – und ein schwarzes Tuch, um die Haare zu bedecken. Ich habe mich ein bisschen gefühlt, wie für den Karneval verkleidet. Der schwere Stoff des Kleides klebte nach gefühlt fünf Minuten an meinem schwitzigen Körper und das Kopftuch machte die Lage auch nicht besser. Die Familie des oder der verstorbenen ist in einen einheitlichen Stoff gekleidet. Sonst wäre es bei der Anzahl von bis zu 300 Personen auch schwer zu erkennen, wem man nun sein Beileid ausdrücken soll.
Das erleichtert besonders das Begrüßungsritual. Als Gast auf der Trauerfeier gilt es zuerst allen Familienmitgliedern zur Begrüßung die Hand zu schütteln. Klingt erstmal nicht sonderlich anders, als bei einer deutschen Beerdigung. Der Unterschied ist jedoch die Menge an Händen, die man da schütteln muss. Um das ganze zu erleichtern sitzt die Familie in einer Reihe aufgereiht, bzw. so angeordnet, dass es leicht sein sollte die Reihenfolge einzuhalten. Naja, ich bin zwischendurch verloren gegangen und wollte weiter in die falsche Richtung Hände schütteln. Zum Glück, hat mich meine Freundin wieder eingesammelt.
Neben zahlreichen Verwandten und Bekannten gibt es noch Sänger, Polizisten, Servicepersonal, Personal für das Handling der Spendenbox und unter anderem auch noch Wein-Frauen. Das ist der Part, der mich am meisten fasziniert hat. Wein-Frauen sind nicht für den Ausschank von Alkohol und volle Gläser verantwortlich, sondern tanzen stundenlang auf der Beerdigung und dabei weinen sie. Während ihres Tanzes stellen sie die verschiedenen Formen der Trauer dar. Mit der Zeit lasen die leidvollen Klänge nach und auch die Tränen versiegen – wie das beim Trauern im Idealfall sein sollte. Diese Frauen werden also hauptsächlich zum Weinen auf der Beerdigung gebucht.
Wie bei einem Flash Mob wurde plötzlich die Frau des Verstorbenen tanzend, begleitend von ihrer Familie, durch die Menge geführt, um ihr Trauer zu verarbeiten. Was ihr dabei geholfen haben könnte, sind die Geldscheine, die ihr immer wieder zugesteckt wurden. Der Pastor, der danach an der Reihe war, hat unter wilden Klängen und zurufen bei der Gelegenheit gleich nach die Gäste gesegnet.
Am Ende wurde aus einer Trauerfeier ein wunderschönes Fest. Es wurden Drinks und Essen gereicht, ausgelassen getanzt und das Leben des Verstorbenen gefeiert. Und das ist der Punkt, der mich am meisten fasziniert hat. Der Umgang mit der Trauer und die Einstellung dankbar für das Leben zu sein und es mit all seinen Höhen und Tiefen zu feiern. Die Party ging bis in den späten Abend. Wenn man bedenkt, dass die Beerdigung bereits um vier Uhr morgens begann, ist das erstaunlich. Vor allem da der lokale Alkohol, der immer wieder rumgereicht wurde, alle anderen die ich kenne, hinsichtlich der Stärke um Längen schlägt. Mein erster Schluck sorgte für einen nicht enden wollenden Hustenanfall. Der zweite war schon besser. Da Ghanaer allerdings fast jedes Wochenende auf einer Beerdigung sind, das scheint wie eine Verabredung zum Brunch bei uns zu sein, haben sie nicht solche Probleme sich danach noch auf den Beinen zu halten.