Karōshi gibt’s nicht mehr
Der „Tod durch Überarbeitung“ in Japan gehört längst der Vergangenheit an. Die neue japanische Arbeitswelt sieht ganz anders aus.
Das Land der aufgehenden Sonne gehört zu den wirtschaftlich erfogreichsten Staaten der Erde, besitzt weltweit eine der höchsten Lebenserwartungen und eine der niedrigsten Kriminalitätsraten. Die Japaner sind bekannt für ihr High-Tech-Wissen und ihre weltweit wohl einzigartige Arbeitsdisziplin, genauso wie für den Stellenwert, den Bildung besitzt. Kein Wunder, dass Japan die drittstärkste Wirtschaftsmacht der Welt ist. Ein Jobangebot aus Japan ist zweifellos eine unbezahlbare Chance für die Karriere. Doch hat die japanische Arbeitswelt nicht gerade den besten Ruf. Was daran Gerücht ist und was Wahrheit, das verraten wir Ihnen heute.
Alle Welt weiß, in Japan wird hart gearbeitet, sehr hart, bis zum Umfallen hart. Tägliche Arbeitszeiten, die weit über europäischem Niveau liegen, ein enormer Leistungsdruck, nicht nur Burn-out, sondern gleich Tod durch Überarbeitung, für das in Japan ein eigenes Wort erfunden wurde: Karōshi.
Doch das war einmal, vor vielen Jahren, als Japan sich gerade hochindustrialisierte, in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Heute würden viele Japaner nicht in Deutschland arbeiten wollen, mit seinem Stress, seinen Zeitverträgen, seinen durch Arbeit verursachten psychischen Krankheiten. In Japan haben sich die Arbeitszeiten mittlerweile dem OECD-Durchschnitt angepasst, die gesetzlich festgelegten Pausen sind großzügiger bemessen als in Deutschland. Zwar genießen rund ein Drittel der Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz, doch wird seitens des Unternehmens selten vom Kündigungsrecht Gebrauch gemacht: Im Durchschnitt arbeiten die Japaner 12,1 Jahre bei einem Unternhemen, weltweit am meisten. Manche Japaner finden gar die Idee, faule Mitarbeiter zu entlassen, absurd, häufig gilt in japanischen Unternehmen immer noch die Anstellung auf Lebenszeit. Sich Arbeit mit nach Hause zu nehmen, ist in Japan genauso abwegig wie unbezahlte Überstunden, die Arbeit gehört ins Büro, denn: Zentral bei der Arbeit ist die Zusammenarbeit. In Japan gilt eine ganz andere Anbindung ans Unternehmen, der Kaisha. Entscheidungen werden im Team getroffen, Kollegen nehmen Anteil an Familienereignissen, nach der Arbeit ist der gemeinsame Absacker fast Pflicht und am Morgen ein gemeinsames Fitnesstraining die Regel. Für unsereins völlig unverständlich gilt in japanischen Firmen: Zuerst kommt der Kunde, dann der Mitarbeiter, dann der Gewinn. So zahlen Unternehmen ihren Mitarbeitern häufig zusätzliches Geld für die Kita der Kinder, Mietzuschüsse und Fahrgeld.
Diese Bindung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen hat aber auch einen anderen Effekt, der uns wiederum unbegreiflich scheinen mag: Zwar sind die gesetzlich geregelten Arbeitszeiten nicht höher als in Europa, und die Urlaubszeiten liegen sogar über deutschem Durchschnitt. Doch wird von diesen Arbeitnehmerrechten selten Gebrauch gemacht. Viele Angestellte bleiben freiwillig länger, nicht um dem Chef einzuschmeicheln, sondern weil es zu ihrer Selbstauffassung vom guten Mitarbeiter gehört. Dass man länger im Büro bleibt, bedeutet aber nicht automatisch, dass auch länger gearbeitet wird,es ist einfach nur unüblich, vor dem Chef nach Hause zu gehen. Nach demselben Muster werden von 33 bezahlten Urlaubstagen nur acht in Anspruch genommen, denn son st müssten schließlich die Kollegen die anfallende Mehrarbeit übernehmen.
Die Japaner arbeiten also viel, aber bestimmt nicht bis zum Umfallen, auch nicht bis zum Burn-Out: Mit nur einem Prozent Krankheitsrate könnte Japan den Deutschen ein paar Tips in punkto Arbeitsbedingungen geben.
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