Wie verlieren wir die Scheu?
Wenn wir als Kind eine Sprache lernen, dann haben wir keine Scheu, sondern machen bedingungslos Laute und Geräusche nach, ja häufig sogar Mimik, die unsere Eltern uns vorleben. Stück für Stück entwickeln wir mehr und mehr ein empfinden für unsere Muttersprache, bis wir irgendwann klar und verständlich Wünsche und Bedürfnisse äußern können.
Später, wenn wir in die Schule gehen, erlernen die meisten von uns weitere Sprachen. Als erwachsene Menschen verstehen wir dann, dass fremde Sprachen lernen nicht nur aus Vokabeln pauken und Grammatik lernen besteht, sondern uns auch fremde Türen öffnen kann. Sprachen schaffen eine Verbindung zwischen Menschen und Kulturen. Sie zeigen uns einen Einblick in andere Länder und Sitten. Man mag nur an die melodisch weiche Sprache der Franzosen denken, die mit einem so eleganten Klang daherkommt, wie kaum eine andere. Damit verbinden wir auch den Klischee-Franzosen. Immer charmant, elegant, gut aussehend mit einem Baguette unter dem Arm. Im Vergleich dazu schneidet Spanisch anders ab. Die spanische Sprache lässt uns eintauchen in ein Land voller Farbe, Freude und Festen. Impulsiv, melodisch und warm lassen sich Sprache, wie auch Menschen, beschreiben. Die deutsche Sprache hingegen kommt nicht so geschmeidig daher. Mag man nur an einen schönen zarten Schmetterling denken. Bei falscher Betonung jedoch wirkt das „Schmetterling“ weder geschmeidig noch zart. Das ist auch das deutsche Klischee: Bier trinkende, pünktliche, fleißige Menschen. Wie auch für andere, ist es auch für deutsche Muttersprachler meist schwierig den deutschen Akzent abzulegen und komplett in die neue Kultur und Sprache einzutauschen. Damit einhergeht, besonders bei Erwachsenen, die Scheu davor beim Sprechen Fehler zu machen. Schon fast als Bloßstellung, könnte man es bezeichnen.
Aber was macht man, wenn man Scheu vorm Sprechen hat?
Wir alle kennen das Phänomen und den Satz „Wenn ich etwas getrunken habe, dann spreche ich alle Sprachen.“ Meist geht damit einher, dass wir unsere Hemmungen verlieren und einfach drauflos sprechen. Die Lösung dafür ist natürlich nicht sich jedes Mal betrinken zu müssen, bevor man eine Sprache spricht, in der man sich unsicher fühlt.
Um sich in einer Fremdsprache sicher zu fühlen, ist es nicht nötig sie komplett zu beherrschen und auf Muttersprachler Niveau zu sprechen. Natürlich muss man den Mut aufbringen und sich trauen. Und was dann noch hilft – nein, kein Schnaps! – man sollte versuchen ruhige und klare Sätze zu sprechen. Wenn eine Vokabel mal nicht so recht einfallen will, dann kann man sie umschreiben. Im besten Fall kennt unser Gesprächspartner sie und wir erlernen neue Wörter.
Schnell wird einem auch bewusst, dass die meisten Menschen bemüht sind uns zu verstehen und sich darüber freuen, wenn jemand versucht ihre Muttersprache zu erlernen.
Ich selbst habe einen Sprachkurs in Bangkok besucht. Thailändisch ist eine Tonsprache. Das bedeutet es gibt meist einsilbige Wörter, die durch ihre Aussprache in verschiedenen Tonhöhen und Tonverläufen komplett unterschiedliche Bedeutungen haben. Das führt zu lustigen Verwechslungen, Missverständnissen und viel Gelächter. Aber nicht im negativen Sinn. Die Freude der Thailänder, wenn ein Ausländer versucht ihre Sprache zu sprechen ist unglaublich. Hinzu kommt, dass sie immer wieder bemüht sind zu verstehen. Manchmal muss ich gestehen, versuche ich das Wort in verschiedenen Lauten auszusprechen, in der Hoffnung den richtigen zu treffen. Merke: Wenn du nicht verstanden wirst, weil du etwas nicht richtig aussprichst, dann versuche es immer wieder. Hartnäckigkeit wird belohnt und ich bin sicher jeder Muttersprachler wird sich größte Mühe geben, dir das Wort mit seiner Betonung so häufig wie möglich vorzusagen, bis es auch dir gelingt.
Und wenn man sich dann mal traut und positives Feedback kommt, dann stärkt es nicht nur das Selbstbewusstsein, sondern du wirst auch mutiger und verlierst mit jedem Mal Scheu. Vielleicht bist du irgendwann soweit und kannst dich mit Einheimischen unterhalten. Das Schöne daran ist nicht nur, dass sie dir noch weitere Wörter beibringen können, sondern auch, dass du die Möglichkeit noch tiefer in andere Kulturen einzutauchen und vielleicht sogar Slang zu lernen. Vielleicht reist du auch in verschiedene Gegenden eines Landes und hörst die verschiedenen Dialekte raus. Sprache verbindet und wenn es mit der Landessprache nicht klappt, dann mach dir keine Sorgen darüber, das wird mit der Zeit. Bis dahin kannst du die Vokabellücken auch problemlos mit Körpersprache füllen.