Das hängt davon ab, auf welcher Sprache Sie gefragt werden.

Der preisgünstigste, effektivste und romantischste Weg, eine Fremdsprache zu lernen, ist eine Liebesaffäre mit einem entsprechenden Muttersprachler, das ist schon lange  kein Geheimtipp mehr. Warum das so ist? Weil positive Emotionen wie Freude, Interesse, Zufriedenheit, Stolz und Liebe das Gedanken-Handlungs-Repertoire erweitern, wie die US-amerikanische Psychologin Barbara Fredrickson herausgefunden hat. Heißt: Wir werden schlauer durch positive Emotionen. Heißt auch: Emotionen helfen, kognitive Leistungen zu erbringen – wie zum Beispiel das Erlernen fremder Sprachen.  Oder wie die beiden Sprachpsychologen Peter MacIntyre und Tammy Gregersen schreiben: „Positive Emotion neigt dazu, die Perspektive zu erweitern, indem es die individuelle Perspektive aufbricht, um Sprache zu absorbieren.“Negative Emotionen hingegen verengen den Fokus und beschränken den potentiellen Sprachinput.

Wenn Sie also keinen Liebhaber mit der passenden Muttersprache finden, tut’s auch jeder andere. Verliebtheit macht nämlich nicht nur blind, sondern auch klug, weil sie uns hilft, kognitive Leistungen zu erbringen.

Die Verbindung zwischen Fremdsprachen und Emotionen hat aber auch noch eine andere Seite: In Fremdsprachen denkend sind wir weniger emotional, und das hat Auswirkungen auf moralische Entscheidungen.

FremdspracheundgefuehlSpanische Psychologen von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona haben einen Test mit Menschen unterschiedlicher Muttersprachen durchgeführt, in dem die 725 Probanden mit einem klassischen moralischen Dilemma konfrontiert wurden: „Stellen Sie sich vor, ein Zug rast auf fünf Menschen zu und Sie könnten sie retten, indem Sie einen sehr dicken Mann vor den Zug schubsen.“  Der Test zeigte, dass die Antwort signifikant davon beeinflusst wird, ob man die Frage in seiner Muttersprache oder in einer Fremdsprache gestellt bekommt. Die Probanden, die in einer Fremdsprache gefragt wurden, neigten eher zur utilitaristischen Sicht: Um fünf Menschen zu retten, ist es legitim, einen Menschen zu opfern. Die Mutterspracher dagegen zeigten Skrupel, einen unschuldigen Mann zu opfern. Woran liegt das? 

Ganz einfach: Wenn wir in einer Fremdsprache denken, müssen wir eine höhere kognitive Leistung erbringen, was die Emotionalität reduziert und das rationale Denken aktiviert. Die Wissenschaftler führten noch andere Tests zum rationalen Denken durch. Dabei schnitten die Teilnehmer besser ab, wenn sie auf einer Fremdsprache gefragt wurden; in ihrer Muttersprache fielen sie leichter auf intuitiv naheliegende Antworten herein, die sich jedoch bei weiterer Überlegung  als falsch erwiesen.

Schon werden Stimmen laut, die Konsequenzen aus diesen Ergebnissen ziehen wollen. Immigranten zum Beispiel seien besser geeignet als Jurymitglieder bei Gericht, da sie pragmatischer als Einheimische bzw. Muttersprachler urteilen würden, so sagt Boaz Keysar, Psychologieprofessor an der University of Chicago.

Und was sagt uns das alles? Muttersprachler sind gut für Gefühle, Fremdsprachler fürs rationale Denken. Das sollte man tatsächlich ausnutzen – siehe den Vorschlag von Professor Keysar. Auch im Privaten: Sollen sie sich doch zusammentun, das ergibt einander perfekt ergänzende Paare! Und zweisprachige Kinder! 🙂

 

Haben Sie weitere Ideen, wie man diese wissenschaftlichen Ergebnisse ausnutzen könnte? Schreiben Sie uns!

 

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